DIE NOMADIN

Ruth Croft hat den OCC gewonnen und ist sich sicher, dass es im Leben nicht unbedingt auf eine Ultradistanz hinauslaufen muss. Die Neuseeländerin über Talent, ihr Training und Isolation.

Wie fühlt es sich an, den OCC gewonnen zu haben und jetzt ganz entspannt beim UTMB® zusehen zu können?
Ich bin davon überzeugt, dass die OCC-Teilnahme die beste Entscheidung für mich war. Man muss nicht so weit laufen, ist am Donnerstag fertig und kann den Rest der Woche entspannen und genießen. Ich war absolut zufrieden mit dem Verlauf des Rennens, und nachdem ich die Schlacht beim UTMB gesehen hatte, war der Gedanke, in nächster Zeit die Distanz zu erhöhen, nicht wirklich verlockend.

Wartest du noch auf den UTMB? Du hast das CCC 2015 gewonnen. Es wäre Zeit für einen Hundertmeiler, oder?
Nein, das eilt nicht. 2017 beschloss ich, dass ich dieses Jahr entweder den Western States oder UTMB laufen möchte. Aber dann ging es mir beim Lavaredo 120 km nicht gut. Ich musste mich bei km 70 übergeben, kam mir eher vor, als würde ich die ganze Zeit nur wandern. Die Regeneration dauerte auch recht lange. Insgesamt hatte ich dort nicht wirklich Spaß. Ich stellte fest, dass ich von dem Hype, 100 Meilen zu machen, eingeholt worden, aber mein Körper für eine solche Distanz noch nicht bereit war. Daher habe ich mich dieses Jahr auf die Marathon-/50-km-Distanz konzentriert und hatte echt Freude daran, wieder diese Distanzen zu laufen. Ich denke, dass ich mich auf die kürzeren Distanzen konzentrieren sollte, solange ich noch so viel Speed aufbringe. Wenn ich das nicht mehr hinbekomme, werde ich mich den längeren Rennen/Hundertmeilern widmen. Ich möchte lange was von diesem Sport haben, daher muss ich einen Hundertmeiler nicht so bald auf meiner To-do-Liste abhaken.

Wie trainierst du in Neuseeland für einen Lauf in den französischen Alpen?

Erst im Dezember bin ich nach zehn Jahren in den USA und Taiwan wieder nach Neuseeland zurückgekehrt. Ich war in Wanaka, einer kleinen Stadt mit 6.000 Einwohnern. Trails und Training sind dort großartig, ich habe einen 1.200-m Anstieg nur 4 km von meinem früheren Wohnort entfernt. Es war wirklich großartig und motivierend für mich, wieder in Neuseeland zu sein. Geeignete Trainingsorte im Vergleich zu meinem Leben in Taipeh/Taiwan – einfach toll.

Du bist in Sachen Laufsport eine Weltreisende. Was nimmst du von den Reisen mit und wie verändert das deine Weltanschauung?

Als Neuseeländer ist man ja geradezu isoliert, aber ich hatte das Glück, einige Zeit in den USA und in Taiwan gelebt zu haben. Ich habe während meiner Zeit in Taiwan viel gelernt. Über die kulturellen Hierarchien, den Stellenwert der Familie, wie Kommunikation in diesen Kulturen funktioniert. Das alles hat dazu beigetragen, mich geduldiger und offener zu machen. Durch diese Erfahrungen wurde ich nicht nur ein geduldigerer Mensch, ich wurde auch offener für Neues.

Du bewegst sich im internationalen Trail- und Skyrunning-Zirkus. Ist das eine große Familie, die von Rennen zu Rennen zieht, oder sind das eher Konkurrenten?

Eher eine große Familie. Die meisten Leute trifft man bei mehreren Rennen während der Saison. Ich bin etwa die Hälfte des Jahres unterwegs, da ist es oft gut, sich mit anderen zusammenzutun, gemeinsam zu trainieren und eine Art Basis zu haben. Und wenn wir an der Startlinie stehen, dann geht es nur ums Rennen.

Du gewinnst Rennen und gehörst zu den Besten deiner Kategorie. Was machst du besser als andere? Trainierst du fleißiger? Bist du talentierter?

Ich bin sicher nicht talentierter. Ich glaube, dass ich erst seit diesem Jahr sagen kann, dass die Saison sich durchgehend gut anfühlte. Ich war stark beim Training und bei den Rennen. In den vergangenen Jahren war das meist nicht der Fall. Ich lebe nun wieder in einer Gegend, die sich fürs Training eignet, was in Taiwan nicht so war. In Taipeh fanden rund 90% des Trainings auf Beton statt; nicht sehr hilfreich, um für gebirgige Rennen in Europa zu trainieren. Zudem habe ich mich im Training mehr auf Kraft und Kondition als früher konzentriert. Ergänzend dazu fuhr ich Mountainbike und Rennrad. Das wäre in Taipeh nicht möglich gewesen. Auf so alltägliche Dinge wie ausreichend Schlaf habe ich noch geachtet. In Taipeh kam ich oft erst um 22 Uhr von der Arbeit und bin um 5 Uhr wieder aufgestanden, um zu trainieren. Im Sommer wäre es sonst zu heiß fürs Training gewesen. Und definitiv hat mein Trainer Jonathan Wyatt einen großen Anteil an meinem Erfolg.

Letzte Frage: Kannst du etwas besonders gut, etwas, das niemand von dir weiß?

Ich kann total gut Kombucha kochen. (lacht)

ÜBER RUTH CROFT
Die 1989 in Wanaka / Neuseeland geborene Ruth Croft gehört zu den weltbesten Skyrunnerinnen und läuft für das internationale Scott-Team. Ihr Trainer ist der 7-fache Berglaufweltmeister Jonathan Wyatt. Sie gewann 2018 den OCC und wurde Dritte des Skrace-Marathons in Zegama. Im vergangenen Jahr siegte sie überraschend beim Ultra des Templiers und wurde Zweite des Lavaredo Ultra.
Auf die Frage, was sie zum Laufen braucht, sagt sie: Wasser, Gel und eine Jacke. Das spiegelt nur zu gut ihren Charakter und ihren Stil zu laufen: möglichst frei sein und wenig Balast bei sich tragen. Wer sov iel reist wie Ruth Croft, kann ja ohnehin nur leicht bepackt sein.