A wie Alpine R wie Running

Von Benni Bublak

Laufen die noch oder klettern die schon? Die Grenzen zwischen Alpinismus, Bergsport, Klettern und Trailrunning sind aufgeweicht. Leute wie Kilian Jornet, Ueli Steck oder Karl Egloff zeigten und zeigen was der Mensch im Stande ist zu leisten.

Alpine Running, Skyrunning, Scrambling oder doch einfach nur Trailrunning? An Begrifflichkeiten mangelt es nicht, um einen Sport zu benennen, bei dem es doch letztendlich auch nur darum geht, wer die größte Lunge hat. Aber macht das die Sache mit dem Benennen einfacher? „Ich weiß nur, dass ich gern schnell in den Bergen unterwegs bin. Einen Namen dafür zu finden macht die Sache kompliziert“, hat Kilian Jornet, der vielseitigste Athlet, den unser Sport kennt, einmal gesagt. Vielseitigkeit. Das ist wohl das Stichwort.

   Klar muss man schnell sein. Ein guter Läufer. Aber bestenfalls eben auch ein guter Bergsteiger, Kletterer und Alpinist. Exponierte Grate, Block- und Schuttgelände sowie Schnee- und Gletscherpassagen sind die üblichen Hindernisse, die es in den Alpen zu finden und eben auch zu meistern gibt. Diese möglichst schnell zu überwinden, stellt beim Alpine Running die multiple Herausforderung dar. Bühnen, auf denen dieser Sport auch wettkampfmäßig ausgefochten wird, gibt es inzwischen einige. Die MiguRun Skyrunner World Series hat es sich schon seit einigen Jahren auf die Fahnen geschrieben, die technisch schwierigsten und an Höhenmetern reichsten Rennen auszurichten. Bis 2017 gab es sogar ein „Extreme Sky“ Ranking, welches nur die drei technisch herausfordernsten Rennen umfasste. Dieses Jahr wird es nur eine einzige Serie geben, die allerdings in einem Sky-Masters-Finale am Ende der Saison gipfelt. Hier sind nur Athleten startberechtigt, die sich durch vordere Platzierungen bei den insgesamt 15 Rennen der Skyrunning-Serie qualifizieren können. Erstmalig ausgetragen wird dieses Jahr auch eine nationale österreichische Skyrunning Serie mit drei Rennen. Eine erfreuliche Entwicklung. Zumal Rennen, die das Prädikat Alpine Running verdienen, im deutschsprachigen Raum bisher kaum zu finden waren. Und weil eine klare Abgrenzung zum klassischen Trail-Lauf in den Bergen eben auch hilft, entdeckungshungrige Landschaftsläufer nicht auf einen Kurs zu schicken, auf dem es schon mal über alpine Klettersteige geht.

   Aber auch außerhalb der unter dem Label Skyrunning durchgeführten Veranstaltungen gibt es Rennen, die ein erhöhtes Maß an alpiner Erfahrung voraussetzen. Wir haben auf den kommenden Seiten die interessantesten Rennen für euch herausgesucht und kurz vorgestellt. Zudem sind Geschwindigkeitsrekorde und Fastest Known Times auf die höchsten Gipfel dieser Erde oder auf besonders prestigeträchtigen Routen und Höhenwegen eine weitere, immer beliebtere Facette dieser Spielart des Trailrunnings. Wir haben auch hier ein paar besonders beeindruckende Leistungen zusammengetragen. Aber klar, wir müssen an dieser Stelle auch über Grenzbereiche reden.

Es gibt kaum beeindruckendere Bilder als einen Kilian Jornet, der in wahnsinnigem Tempo über einen Grat tänzelt, nur verfolgt von seinem filmenden Freund Vivian Bruchez. Was in den Videos der Topathleten leicht, ja elegant aussieht, ist schlicht und einfach auch ein sehr riskanter Sport. Beim Tromsø Skyrace 2017 stürzte die Amerikanerin Hillary Allen knapp 50 Meter tief und verletzte sich schwer. Nicht bei einem Rennen, sondern bei einem privaten Trainingslauf im Karwendel fiel Tim Wortmann, einer der besten deutschen Ultra-Läufer, 150 Meter tief und überlebte schwer verletzt. Was folgte war eine außergewöhnliche Spendenaktion, von der wir in der vergangenen Ausgabe berichtet haben. Auch diese Geschichten gehören zu diesem Sport. Sie zeigen auch: Es kann jedem passieren.

   Wie geht man mit diesem Wissen um? Eine Frage, mit der sich insbesondere die Veranstalter der einschlägigen Rennen befassen müssen. Einige verlangen Nachweise über alpine Erfahrung, bei vielen Läufen aber kann sich jeder frei anmelden. So oder so, Eigenverantwortung und das realistische Einschätzen der eigenen Fähigkeit sind die besten Begleiter – ist man nun privat oder mit Startnummer unterwegs. Dies vorausgesetzt, hat dieser Sport – nennen wir ihn doch hier einfach Alpine Running – das Potenzial unglaubliche Glücksgefühle freizusetzen. Der Berg als einzige Konstante. Dazwischen unglaublich viele Freiheitsgrade: Sei es die Fortbewegungsart (Laufen, Klettern, Springen, …), die Routenwahl in weglosem Gelände oder die Varianz der Ausrüstung (von einfachen Laufschuhen bis Steigeisen und Eispickel). Definitionen, Normen und Klassifizierungen tun sich im Zusammenhang mit Alpine Running schwer. Und das ist auch gut so. Da nehmen wir als Magazin es gern in Kauf, wenn bei der nächsten Rekordmeldung wieder die Frage im Raum steht: Ist das nun Trailrunning, Alpine Running oder doch schon Mountaineering?

 

 

Die alpinen TOP EVENTS 

ELS 2900

ca. 70 km, 7.000 Hm

Entstanden aus einem FKT-Versuch, ist dies ein Rennen der besonderen Art. Eine vorgegebene markierte Strecke existiert nicht. Es müssen die sieben höchsten Gipfel Andorras (alle etwas über 2.900 m hoch) abgelaufen werden. Findet man die schnellste und einfachste Route, sind dies ca. 70 km mit 7.000 Hm. Verläuft oder verirrt man sich, sind es dementsprechend mehr. Gestartet wird in 2er-Teams. Zugelassen sind insgesamt nur 25 Teams. Übersteht ihr einen Bewerbungsprozess, in dem ihr den Veranstalter von eurer alpinen Qualifikation überzeugt, seid ihr dabei. Zur Pflichtausrüstung gehören Helm und Klettersteigset. Prominente Starter der letzten Ausgabe waren die El-Kott-Helander-Zwillinge und das Duo Philipp Reiter/ Philipp Brugger.

MONTE ROSA SKY MARATHON

35 km, 3.500 Hm

Dieses Rennen wirbt damit, die Geburtsstunde des Skyrunning zu feiern. Initiiert von Marino Giacometti fand hier vor 25 Jahren das erste Skyrunning-Event auf den Gipfeln des Monte-Rosa-Massivs statt – damals noch in Baumwollkleidung und mit Fila als Hauptsponsor. Genauso puristisch ist auch die Strecke. Die direkte Route vom italienischen Talort Alagna bis zum 4.552 m hohen Gipfel und wieder zurück gilt es zu bewältigen. Aus Sicherheitsgründen wird – im Gegensatz zu den Pionieren der 90er – in 2er-Teams gestartet. Die Teams sind mit Leichtsteigeisen ausgerüstet und per Seil miteinander verbunden. Im letzten Jahr landete das Pärchen Emelie Forsberg/Kilian Jornet als Mixed Team auf dem 3. Platz overall. Ein Platz vor dem namhaften Männer-Team Tom Owens/Andy Symonds.

SCHLEGEIS

33 km, 2.380 Hm

Der Schlegeisspeicher und Dutzende 3.000er rund um den Olperer bilden die Kulisse für dieses neue Skyrunning-Event in Österreich. Schon der Start liegt auf 1.800 m Seehöhe. Auf durchweg alpinen Wegen der Peter-Habeler-Runde und des Berliner Höhenwegs führt die Strecke bis auf knapp 3.000 m zur Friesenbergscharte, dem höchsten Punkt der Strecke. Zusammen mit dem Hochkönig Skyrace und dem Saalbacher Skyrace bildet dieses Rennen eine vom Österreichischen Trail Running Verband neu etablierte Skyrunning-Serie.

TROMSØ

57 km, 4.800 Hm

Das von keinem geringeren als Kilian Jornet veranstaltete Rennen im Norden Norwegens ist inzwischen ein echter Klassiker unter den Skyrunning-Events. Die längere der beiden Strecken führt im Wesentlichen über zwei Bergketten,  den Tromsdalstinden und den Hamperokken. Dabei müssen luftige Gratpassagen überwunden werden. Es bietet sich an, dieses Rennen mit einem Sommerurlaub zu verbinden und die langen Tage nördlich des Polarkreises zu nutzen, um die Lyngenalpen und Fjorde zu auszukundschaften.

ELBRUS

14 km, 3.300 Hm

Das Elbrus Skyrace passt eher in die Schublade alpines Abenteuer als Trail Race. Den höchsten Gipfel Europas mit seinen 5.462 m Höhe bezwingt man schließlich nicht im Vorbeigehen. Dementsprechend bietet der Veranstalter ein 9-tägiges Festival mit mehreren Events an, während dem genug Zeit bleibt sich zu akklimatisieren und vorzubereiten, um am Stichtag gut gerüstet den Gipfel zu erstürmen. Wer sich das ganz allein nicht zutraut, schließt sich Michael Raabs Reisegruppe an und profitiert von seinem Erfahrungsschatz (Infos auf www.laufcoaches.com).

GLEN COE SKYLINE

52km 4.750 Hm

Mitten in den schottischen Highlands gibt es dieses eine Rennen. Genau genommen sind es vier an einem Wochenende. Das Herzstück bildet aber ohne Frage das Glen Coe Skyline Skyrace, das seit vier Jahren ausgerichtet wird.  Aonach Eagach Ridge und Bidean nam Bian sind nicht nur echte Zungenbrecher, sondern auch die Namen der luftigen Grate und Gipfel, die es zu passieren gilt. Schwindelfreiheit und Klettererfahrung im dritten Schwierigkeitsgrad solltet ihr in jedem Fall mitbringen.