Gefangen in der (Frauen)rolle

7. Februar 2024 •

Wenn die Passion im Alltag zu kurz kommt, hilft nur eines, der Kopf muss ran! Er muss hart arbeiten und den Körper und die Beine überzeugen, dass es trotz alltagsbedinger Zeitknappheit möglich ist, lange zu laufen ...

Trailrunning ist meine Passion, meine Leidenschaft. Und jetzt muss ich gleich mein Leid klagen, mir fehlt gerade einfach die Zeit, dieser Passion nachzugehen. Das darf man jetzt nicht falsch verstehen. Ich laufe schon, ja, manchmal auch mehrmals die Woche. Aber es ist nicht mehr so, wie früher, vor meinem Alltag mit Kindern. Ich bekomme es nicht mehr so in meine Woche integriert, dass ich es so betreibe und es mir auch so viel Spaß macht wie früher. Meine Work-Familylife-Sport-Balance ist derzeit nicht so gut ausbalanciert. Natürlich machen mir meine kleinen Laufrunden noch Spaß, aber es ist eben etwas anderes, wenn man für eine knappe Stunde zum Laufen geht oder wie früher für fünf Stunden. Wenn man am Wochenende wie früher um 6 aufsteht, aber eben nicht in die Berge zum Laufen fährt, die Gipfel erklimmt und die flowigen Trails im Downhill inhaliert. Dieses Gefühl der glücklichen Erschöpfung auf den letzten Kilometern einer schönen Runde, Heimkommen, Essen, Ruhen. Und das (fast) jedes Wochenende.

Jetzt kann ich natürlich zur genüge auf Insta sehen, wie viele Mütter uns zeigen, dass es doch geht, mit Kindern zu trainieren und auch Wettkämpfe zu laufen. Auch die Profis zeigen es uns: Emelie Forsberg dreht fast täglich ihre Runden mit Kinderwagen, Kirsten Hindhammer Amundsgard gewinnt den Großglockner Ultra in 16 Stunden und hat einen 9-monatigen Sohn, der noch gestillt wird, um nur einige Beispiele zu nennen. Ich kann mir bei sämtlichen Lauf-Muttis Tipps abholen, wie es funktioniert und ich kann sogar Coachings buchen. Und dann stehe ich da, und obwohl ich weiß, dass dieses Insta ja nur ein Aufhübschen der Wahrheit ist, und wir nur einen kleinen Ausschnitt der Realität sehen, nagt es schon sehr an mir, dass ich es einfach nicht auf die Reihe bekomme. Und auch hier will ich nicht falsch verstanden werden, ich habe mir dieses Leben gewünscht und ausgesucht, würde es auch nicht anders machen wollen. Ich habe einen großartigen Mann, der mich unterstützt, wohne in einem Haus auf dem Lande, habe zwei wundervolle Kinder und eine perfekte Familie, die hinter mir steht. Auch meine Arbeit macht mir viel Spaß. Dennoch bin ich auf der Suche nach meiner, wie es scheint, verlorengegangenen Passion. Ich stand in den letzten Jahren wirklich an vielen Rennstrecken, immer zum Anfeuern und Arbeiten. Dass ich selbst wieder einmal an der Startlinie stehe, daran habe ich nicht einmal gedacht, war gefühlt meilenweit entfernt. Dann war es schon fast schicksalhaft, als Anfang Juli der Anruf und die Einladung zu einem Event kam. „Denis meinte, es würde Dir guttun“, so die Aussage der Anruferin. Ich musste schmunzeln und freute mich auch, wie gut mich mein Chef natürlich inzwischen kennt. Da waren auf einmal viele Glücksgefühle im Spiel mit der Aussicht, in knapp drei Wochen ca. 40 Kilometer auf feinen Trails in den Bergen zu laufen. Auch die Motivation war groß, in der Vorbereitungszeit darauf noch ein bisschen zu „trainieren“. Jetzt wusste ich natürlich, dass ich da nichts reißen kann, auch nicht mehr wirklich viel fitter werde. In den zwei Wochen davor bin ich ehrlicherweise genau zweimal gelaufen und habe mir auch drei Tage vor dem Wettkampf noch einen Muskelkater beim Fußballabschlusssspiel der Bambinis mit meiner Tochter geholt. Perfekte körperliche Voraussetzungen sozusagen…not.
Als die Tage dann gezählt waren und ich meine Pläne auch in meinem privaten Umfeld geteilt hatte, waren da auf einmal keine gemischten Gefühle mehr, sondern ich fand plötzlich zu einer anderen Stärke, an die ich schon lange nicht mehr gedacht habe. Es war mein Kopf, dem ich auf einmal wieder vertraute und Glauben schenkte. Jetzt kann man einem Nicht-Läufer nur schwer erzählen, dass man 37 Kilometer mit dem Kopf laufen will. Aber all jene unter uns, die diese Passion mit mir teilen, wissen sehr genau, von was ich spreche. Ja, wir können mit dem Kopf laufen und die Beine müssen nur folgen. Und ja, da gehört eine gute Portion Selbstbewusstsein dazu, dessen bin ich mir auch selbst bewusst. Dennoch fand bei mir ein Umdenken statt, ich war mir ab dem Zeitpunkt sehr sicher, dass ich es schaffe. Ich erinnerte mich an meine früheren Wettkämpfe, an Etappenläufe und Camps. Gute Zeiten mit Lauffreunden und Lauffreundinnen. Ich sah nur noch positive Bilder in mir und ich sah mich auch schon ins Ziel kommen. Eine Platzierung oder Zeit spielte keine Rolle, mir ging es nur ums Durchziehen, ums Ankommen.
Natürlich hatte ich mich auch schon früher mit der mentalen Thematik auseinandergesetzt. Habe gerne Eva Sperger zugehört, wenn sie psychologische Tipps gab und von ihren Tricks erzählte. Ich habe es genauso gemacht, hatte einen starken Kopf und damit auch starke Beine und es hat geklappt! Ich war ziemlich am Ende, aber glücklich. Ich wurde im Ziel von meiner Familie empfangen, und hatte Gänsehaut, war sogar den Tränen nahe. Das hat noch keine Ziellinie bei mir ausgelöst. Ich wusste einfach tief in mir drin, dass ich es schaffen kann.
Dass dies kein Appell an Euch sein soll, es genauso zu machen, ist natürlich klar. Wer ein Trailrennen oder einen Ultra laufen will, muss vorbereitet sein. Der Körper kann nicht von 0 auf 100. Ich habe das Glück, dass mein Körper eine Grundfitness und Grundlage besitzt, die es mir ermöglicht, sowas mal zu machen. Ich habe gerade in jungen Jahren viel Schweiß und Zeit ins Laufen investiert, habe viele 400 Meter Runden gedreht, so dass ich in der privilegierten Situation bin, so an meine Grenzen zu gehen, ohne anhaltende Schäden oder Verletzungen zu verursachen.
Und trotzdem geht dies raus an alle Mamas, denen es sportlich gesehen genauso geht wie mir. Ich bin mir sehr sicher, dass ich kein Einzelfall bin. Auch bei den sport(vor)zeigenden Müttern auf Insta ist nicht immer alles perfekt. Auf mehr Realität in den Sozialen Medien können wir trotzdem noch lange warten, darauf gebe ich keinen Cent. Ich kann Euch nur sagen, glaubt an Euch, seid im Kopf stark und seid glücklich über das, was ihr tagtäglich schafft und macht. Gebt Eure Passion nicht auf. Egal ob ihr 5 oder 50 Kilometer lauft, oder aktuell gar nicht. Ihr seid nicht allein und ihr seid trotzdem großartige Läuferinnen und Frauen!

 

 
von Marie Meixner-Brunnhuber

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